Etatrede 2022 – unsere Haushaltsrede von Melanie Vogel und Eckart Grundmann

(Melanie Vogel)
Sehr verehrter Herr Bürgermeister, geschätzte Kolleg*innen, liebe Zuhörer*innen,
es ehrt mich dieses Jahr zum zweiten Mal mit meinem Co-Fraktionssprecher Eckart Grundmann die Haushaltsrede halten zu dürfen.

Ein ungewöhnliches, immer noch von der Pandemie geprägtes Jahr liegt hinter uns allen, bei dem es die Verwaltung nicht immer leicht hatte Dinge zu realisieren und bei dem die Einschätzung der Haushaltskasse auch eher ein Blick in die Kristallkugel war. Wir in Lüdinghausen sind gut durch diese Zeit gekommen. Mit Herrn Heitkamp als Kämmerer hat die Stadt Lüdinghausen eine sichere Bank. Er agiert, wie man es von einem Kämmerer erwartet, vorsichtig, aufs Einsparen bedacht und er handelt mit Augenmaß. Wir glauben, dass wir in Lüdinghausen mit ihm und seinen Mitarbeitenden solide aufgestellt sind.

Herr Heitkamp, wir bedanken uns bei Ihnen und Ihrem Team für die gute Arbeit. Wir bedanken uns an dieser Stelle auch bei unserem Bürgermeister und der gesamten Verwaltung für die sehr eifrige und stets lösungsorientierte Ausführung des Alltagsgeschäfts auch in Pandemiezeiten. Hier wurde mit viel Einsatz und Engagement unter nicht immer einfachen Bedingungen gearbeitet.

Doch wenden wir uns nun dem Haushalt 2022 zu. Ein neuer Haushalt ist immer ein wichtiger Meilenstein in der Kommunalpolitik, ein Augenblick über das Erreichte zu sprechen, neue Aufgaben, die vor uns liegen zu definieren und Probleme und Herausforderungen zu erkennen und für diese zukünftig Lösungswege zu finden. Dabei stellen sich unserer Fraktion zum Haushalt drei Fragen:

  1. Wird der Haushalt dem Titel „Ein Haushalt für die Bürger*innen unserer Stadt“ der ihm von unserem Bürgermeister und der Verwaltung verliehen wurde gerecht?
  2. Meinen wir, dass die geplanten Rekordinvestitionen von 24,5 Millionen an den richtigen Stellen eingesetzt werden und Lüdinghausen nachhaltig weiterentwickeln?
  3. Wurden die GRÜNEN Anträge und Wünsche, die wir zu Beginn der Haushaltsberatungen ganz transparent an alle Fraktionen und an die Verwaltung geschickt hatten, bei diesem Haushalt ausreichend berücksichtigt?

Die Verwaltung hat sich auf den Weg gemacht, strategischer und zukunftsorientierter zu denken. Wir GRÜNE begrüßen hierbei auch den Investitions- und Maßnahmenplan bis 2030, der 100 Maßnahmen inklusiver Zeitplanung klar nachvollziehbar darstellt. Diese etatrelevante mittel- bis langfristige tabellarische Übersicht soll laut Verwaltungsspitze als Kompass dienen. Wir können bestimmen, welche Maßnahmen dringend sind und andere Maßnahmen benennen, die verschoben werden können. Wir empfinden diese Vorgehensweise als zielführend. Wichtig ist es, hierbei faktenorientiert und nicht aus dem Bauch heraus zu entscheiden.

Zahlen sind gut geeignet, Fakten objektiv zu beschreiben. Bei der aktuellen Darstellung fehlen für die meisten Produkte Kennzahlen. Kennzahlen dokumentieren aber, welche Wirkung man sich von den eingesetzten Ressourcen erwünscht. Sie sind dabei die notwendige Orientierungsgröße, um am Ende des Haushaltsjahres feststellen zu können, ob die politisch beschlossene Wirkung auch tatsächlich im erhofften Umfang eingetreten ist. Ein Haushalt ohne Kenngrößen gleicht mithin einem Blindflug.

(Eckart Grundmann)
Transparenz

Transparenz ist für uns GRÜNE immer schon ein wichtiges Thema gewesen. Wir möchten
hier exemplarisch drei Aspekte benennen.

Da wäre die Vergabe städtischer Grundstücke. In der Vergangenheit blieb hier vieles unklar. Zwar gab es einen umfassenden Kriterienkatalog, aber wieso am Ende wer welches Grundstück zugesprochen bekam, war insbesondere für diejenigen, die leer ausgingen, nicht nachvollziehbar. Obgleich die von uns favorisierte Losvariante – öffentliche Ziehung unter notarieller Aufsicht – leider nicht mehrheitsfähig war, soll hier künftig trotzdem einiges besser laufen.

Beim Verkauf von Grundstücken an Investoren wäre die Stadt gut beraten, Verkehrswertgutachten einzuholen, sofern sie einen Verkaufswert von 500.000 € übersteigen. Wir finden es unverständlich, warum sich für dieses Ansinnen keine Mehrheit in diesem Gremium gefunden hat. Gerade aus den Reihen der CDU wurde keine Notwendigkeit gesehen. Das bedauern wir sehr. Hier wurde eine Chance vertan.

Und als dritten Punkt, den wir auf die Agenda gesetzt hatten, möchte ich das Thema Compliance-Management ansprechen. Denn nur die gute Organisation der Durchführung von Vorschriften und Gesetzen einschließlich der Dokumentation gewährleistet transparentes und gesetzeskonformes Verwaltungshandeln. Für dieses GRÜNE Ansinnen werden im Etat Mittel eingestellt.

Transparenz liegt also beim genauen Hinschauen in unser aller Interesse: Bürgerschaft, Politik und natürlich auch der Verwaltung selbst. Wir versprechen uns zudem viel von den vom Bürgermeister angekündigten Gesprächen zu den Planungsvorbereitungen für den Etat 2023, die nach der Verabschiedung des diesjährigen Etats starten sollen.

Wir erkennen also an, dass sich der Bürgermeister und die Verwaltung auf den Weg gemacht haben, aber möchten auch kritisch bemerken, dass noch einiges in Sachen Transparenz gemeistert werden muss.

Obdachlosigkeit
Obdachlosigkeit ist kein Großstadtphänomen, Obdachlosigkeit gibt es überall in Deutschland, auch in Lüdinghausen. Aus diesem Grund hat es in der Vergangenheit bereits einen überparteilichen Anlauf gegeben, an einem „runden Tisch“ Lösungen für dieses Problem zu erarbeiten, leider erfolglos. Unsere Fraktion hat – nicht zuletzt sensibilisiert durch ein Parteimitglied, das Obdachlosigkeit am eigenen Körper erfahren hat – bei den diesjährigen Etatberatungen durch einen gezielten Antrag dieses Problem auf die politische Agenda gesetzt. Zu unserem größten Unverständnis wurde dieses Ansinnen von der CDU barsch zurückgewiesen. Das hat uns schockiert, zumal der von uns hierfür geforderte Betrag – 50.000 € – die Stadt nicht wirklich finanziell herausgefordert hätte. Und es hat uns überrascht, da der Landschaftsverband Westfalen-Lippe schließlich mit schwarz-grüner Mehrheit eigens ein kommunales Förderprogramm für solche Projekte aufgelegt hat. Die örtliche CDU hat dagegen mit ihrem Verhalten in beschämender Weise dokumentiert, wie rückständig und unzureichend ihr soziales Engagement und ihr soziales Gewissen ausgeprägt sind. Horst Seehofer hat als einer der Gründe für die verlorene Bundestagswahl angeführt, die Union von CDU und CSU hätten den Instinkt für das Soziale verloren. Dem ist wohl nichts hinzuzufügen!

Freies öffentliches WLAN
Digitalisierung ist in aller Munde und muss konsequent und systematisch vorangetrieben werden, um unsere Gesellschaft zukunftsfest zu machen. Im Bereich der Schulen hat sich diese Erkenntnis bereits erfolgreich Bahn gebrochen, viele Schulen sind beim digitalen Lernen in den zurückliegenden Monaten ein gutes Stück vorangekommen. Und auch in unserer Verwaltung, so berichtete unser Herr Bürgermeister Mertens, ist flexibles und ortsunabhängiges Arbeiten möglich geworden. („Danke, Corona!“ möchte es einem da fast entfahren.)

Ein weiteres Element der Digitalisierungsstrategie ist freies und leistungsstarkes WLAN im öffentlichen Raum. Es ermöglicht den Besuchenden unserer Stadt – Einheimischen wie Gästen – sich zu informieren, zu kommunizieren oder auch problemlos mobil zu arbeiten oder zu lernen. Insbesondere ermöglicht es Menschen „mit schmalem Portemonnaie“ gesellschaftliche Teilhabe. Geflüchteten Menschen etwa ist es so ohne zusätzliche Kosten möglich, mit ihren zurückgebliebenen Angehörigen Kontakt zu halten.

Burg Wolfsberg
In Sachen Burg Wolfsberg scheint etwas in Bewegung geraten zu sein. Wurde im vergangenen Jahr unser Ansinnen, Mittel für einen Ideenfindungswettbewerb bereitzustellen rundweg abgelehnt, werden in diesem Jahr zumindest 20.000 € bereitgestellt, um das Gebäude samt Umfeld einer Bestandsaufnahme zu unterziehen. Das ist ein erster Schritt, dem natürlich weitere folgen müssen. Burg Wolfsberg ist ein geschichtsträchtiger Ort, der für die Öffentlichkeit erschlossen werden muss. Zudem ist die gesamte „Freiheit Wolfsberg“ weiter aufzuwerten. Denn sie besitzt das Potenzial, dem östlichen Zugang zur Altstadt eine städtebaulich herausragende Note zu verleihen.

Natürlich bleibt ein fader Nachgeschmack: Im vergangenen Jahr kam der Impuls aus Sicht der Mehrheit wohl von der falschen Seite und war daher abzulehnen. In diesem Jahr hat die CDU unsere Initiative vom vergangenen Jahr aufgegriffen und heftet sich den Vorgang nun ans eigene Revers. Das empfinden wir als schlechten Stil. Aber natürlich sind wir froh, wenn sich hier endlich etwas tut. Uns geht es nämlich um die Sache und nicht um Fragen der Urheberschaft!

Klimaschutz
Klimaschutz ist eine Überlebensfrage. Unsere Forderung nach einer Verdopplung des Etatansatzes für PV-Anlagen – ursprünglich waren 400.000 € vorgesehen – fiel über alle Parteigrenzen hinweg auf fruchtbaren Boden. Das hat uns positiv überrascht, da nach unserer Wahrnehmung die bisherigen Klimaschutzaktivitäten unserer Stadt doch eher verhalten waren. Wir erinnern in diesem Zusammenhang beispielhaft an unseren Antrag vom Frühjahr 2018, eine PV-Anlage auf dem Dach des Rathauses zu installieren. Damals lief dieser Antrag noch ins Leere. Jetzt scheint sich hier der Wind gedreht zu haben. Geht alles nach Plan, so wird in diesem Jahr endlich eine PV-Anlage installiert! Und natürlich werden wir mit Argusaugen darauf achten, dass der Etatansatz auch tatsächlich ausgeschöpft wird und Ende
des Jahres Fotovoltaik auf städtischen Gebäuden Standard ist!

Allerdings fehlt es noch immer in viel zu vielen Bereichen des Klimaschutzes an Stringenz und Konsequenz. Wir sehen es an den beiden neuen Baugebieten „Eickholter Busch“ und „Hesselmanngraben“. Bei beiden Vorhaben wurde der Klimaschutz ausgeklammert. Vorgaben bei Dämmstandards, Materialien oder der Energieversorgung? – Fehlanzeige! Stattdessen peinliche Ausflüchte der Verwaltung, warum das im Rahmen des B-Planes gar nicht geregelt werden könne. Hier erwarten wir von der Verwaltung, dass sie ihre Hausaufgaben künftig besser erledigt. Und von der Mehrheitsfraktion erwarten wir, dass sie ihre eigenen Beschlüsse zum Klimaschutz endlich auch ernst nimmt.

Lassen Sie mich abschließend noch auf eine bilanzielle Besonderheit dieses Etats eingehen. Die Corona bedingten Mehrkosten werden bekanntermaßen finanztechnisch isoliert und auf der Aktivseite der städtischen Bilanz geparkt. Aus Gründen der finanzpolitischen Nachhaltigkeit werden wir GRÜNE darauf achten, dass wir die Lasten der Corona-Pandemie nicht unseren Enkeln aufhalsen. Deshalb müssen wir unseren finanziellen Spielraum wahren, um die Option wahrnehmen zu können, die Coronakosten 2025 auf einen Schlag gegen die Ausgleichsrücklage ausbuchen zu können.

(Melanie Vogel)
Fazit

Ich möchte an dieser Stelle ein Resümee ziehen und bediene mich sinngemäß eines Goethe Zitats: Zwei Seelen wohnen, ach! In unserer GRÜNEN Brust. Die eine will sich von der anderen trennen.

Zwischen Verwaltungshandeln und dem der CDU besteht ein gravierender Unterschied. Die alteingesessene Fraktion agiert gefühlt wie ein Sack Zement. Wir können aktuell nicht erkennen, dass die Mehrheitsfraktion die Herausforderungen unserer Zeit erkannt hat, geschweige denn in der Lage ist, Mammutaufgaben wie den Klimawandel oder die Bekämpfung von sozialer Ungleichheit zu stemmen. Gerade die Bewältigung dieser Aufgaben wird darüber entscheiden, ob Lüdinghausen zukunftsfähig wird.

Viel zu oft hören wir in diesem Plenum von der CDU-Fraktion den Satz: „Da sehen wir, wie gut es Lüdinghausen geht und das wir alles richtig gemacht haben und das es gut so ist wie es ist.“ Diese eigene Lobhudelei bremst oft jede große Entwicklung, endet in Selbstüberschätzung, schwacher Kritikfähigkeit und lässt eine gesunde Selbstreflexion vermissen. Hier geht es nicht um eine inhaltliche Motivation, sondern um machtpolitische Spiele. Dafür haben wir GRÜNEN keine Zeit…denn wie sagte Goethe noch: „Wenn wir bewahren wollen, was wir haben, werden wir vieles verändern müssen.“

Und ja, wir glauben, dass der Haushalt für 2022 angetrieben vom ambitionierten Ansinnen des Bürgermeisters und der Verwaltung ein Haushalt für die Bürgerinnen dieser Stadt sein kann. Ob er diesem ehrgeizigen Anspruch tatsächlich gerecht wird, wird sich allerdings erst im Laufe des Jahres zeigen. Der Bürgermeister hat frischen Wind in unsere Stadt gebracht und versucht die unterschiedlichsten Strömungen einzufangen und Kompromisse zu finden. Die Rekordinvestitionen sind größtenteils an richtiger Stelle. Wir glauben, dass vieles auf den Weg gebracht worden ist.

So hat Lüdinghausen seit gut einem Jahr ein Klimaschutzkonzept, ein Mobilitätskonzept ist in Erarbeitung, es wird viel in unsere Schullandschaft investiert und endlich wird auch der Focus mit einem Dorfentwicklungskonzept auf Seppenrade gelegt. Und wir freuen uns, dass dieser Haushalt auch eine GRÜNE Handschrift trägt.

Wir GRÜNEN wünschen uns den konstruktiven Austausch, eine Politik auf Augenhöhe. Wir wollen eine Realpolitik, die nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft und das Wohl unserer Bürgerinnen und unserer Umwelt im Blick hat. Es geht hierbei um eine gestalterische Rolle, die den Herausforderungen der Zukunft angemessen begegnet. Von jeder Fraktion wurden gute und sinnvolle Vorschläge im letzten Jahr eingebracht. Diese gilt es wertzuschätzen.

Wir sehen zuversichtlich in die Zukunft und wollen auch die nächsten Jahre mit vollem Einsatz mitgestalten, mitdiskutieren und mitentscheiden und zwar am liebsten trotz aller Differenzen Seite an Seite mit Verwaltung und allen anderen Fraktionen. Und deshalb stimmen wir diesem Haushalt zu.

-Es gilt das gesprochen Wort-

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